Als interdisziplinär arbeitende Soziologin forsche und lehre ich zum Zusammenleben in konflikthaft wie solidarisch geteilten Räumen westeuropäischer Migrationsgesellschaften. Meine Forschung verbindet kritische Migrations- und Geschlechterforschung mit der Soziologie des Wohnens, der Soziologie des Humors und Studien zu Erinnerungskulturen.
Ich untersuche die Verflechtungen von Klasse, Geschlecht, Rassismus und Antisemitismus mit einem Fokus auf Prozesse wie Passing, Anpassung und Vereinnahmung.
Ein Schwerpunkt meiner Arbeit liegt auf russischsprachigen Migrationsbewegungen des 20. Jahrhunderts – insbesondere auf der Geschichte und Gegenwart jüdischer und russlanddeutscher Minderheiten, ihren Erfahrungen in der deutschen Migrationsgesellschaft und der Bedeutung osteuropabezogenen Rassismus, Antisemitismus, konflikthafter Erinnerungspolitiken und der Nachwirkungen sozialistischer Gesellschaften.
Dabei beschäftige ich mich auch mit Fragen danach, wie machtsensible Forschungsmethoden, Arbeits- und Schreibweisen weiterentwickelt werden können, um diverse Diaspora- und Migrationsgesellschaften genauer zu verstehen und zu beschreiben.
Seit 2019 bin ich akademische Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Vergleichende Kultur- und Sozialanthropologie an der Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). Zuvor habe ich Soziologie, Politik- und Literaturwissenschaft in Berlin, Frankfurt am Main und Glasgow studiert und als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie der Goethe-Universität Frankfurt am Main gearbeitet. Forschungsaufenthalte führten mich an die New York University und die Tel Aviv University.
In meiner Promotion „Vom Wohnen russischsprachiger migrantischer Mittelschichten“ entwickle ich eine neue Perspektive auf die postsowjetische Migration nach Deutschland seit den 1990er Jahren. Über den Fokus auf das Wohnen analysiere ich Prozesse der Aneignung von Raum, von Wohnungen und Nachbarschaften, sowie der Anpassung und Übersetzung kulturellen Kapitals und Vorstellungen eines „guten Lebens“ migrantischer Mittelschichten.
Die mehrheitsgesellschaftlichen Erzählungen jüdisch-migrantischer Diasporaerfahrungen in Deutschland
Es ist traurig und schön einen Beitrag in Michal Y. Bodeman letztem Sammelband Die erfundene Gemeinschaft. Erinnerungspolitik, Staat und Judentum in Deutschland veröffentlicht zu sehen.
Mein Text mit dem Titel: „Vielfalt und erfolgreiche Integration“. Die mehrheitsgesellschaftlichen Erzählungen jüdisch-migrantischer Diasporaerfahrungen in Deutschland, untersucht die Kampagne „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ und Festreden zum Jubiläum von 31 Jahren russischsprachig jüdischer Migration nach Deutschland auf Leerstellen und Vereinnahmungen diasporischer Erfahrung.
https://www.verbrecherverlag.de/shop/die-erfundene-gemeinschaft
Michal Bodeman starb wenige Wochen nach Erscheinen des Buches. Sein Andenken und kritischer Geist bleibt in diesem Buch und auf vielfätige Weise bei uns.
Die Shoa, sowjetische Traumata und koloniale Erbschaften – ost-europäisch jüdische und migrantische Verflechtungsgeschichten
jenseits erinnerungspolitischer Polarisierungen
Mein Beitrag in Sammelband im 2024 erschienenen Sammelband Geteilte Geschichte_n – Plurale Solidaritäten Diskussionen zur Verbindung von verflechtungsgeschichtlichen Ansätzen und community-übergreifenden Unterstützungsstrukturen in liebevoller Arbeit von Iris Rajanayagam für die Bundeszentrale Politische Bildung herausgegeben, diskutiert erinnerungspolitische Leerstellen und Verbindungen zwischen jüdischer und postkolonialer Geschichte in Osteuropa.
Die Geschichten der Shoa und des jüdischen Überlebens im ehemals sowjetischen Teil Osteuropas bilden eine Leerstelle im kollektiven Gedächtnis der deutschen Mehrheitsgesellschaft. Und auch von jüdischen Menschen selbst werden diese Geschichten selten und fragmentiert erzählt. Wie Jüd*innen, aber auch andere Minderheiten aus der ehemaligen Sowjetunion den Holocaust erinnern und wie sich ihre Erfahrungen nach der Migration oder Flucht in die deutschen, westeuropäischen und jüdischen Erinnerungsdiskurse einfügen, skizziere ich in diesem Beitrag.
Den ganzen Sammelband gibt es hier: https://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/bpb_SR_Geteilte-Geschichte_n_online_BF_24-08-22.pdf
Osteuropabezogener Rassimus
Im Sommer 2024 konnte ich mit Ani Menua, Julia Boxxler vom Podcast X3 und Dr. Alexandra Lewicki, drei klugen und gewitzten Gesprächspartner*innen über osteuropabezogenen Rassismus, Zusammenarbeit von kritischer Wissenschaft und zivilgesellschaftlichen Akteur:innen und Deutungshoheit in Wissensproduktion sprechen.
Die Neuordnung der Küchen
Ich bin Teil des Herausgeber*innenkollektives kitchenpolitics und stolz unser neues Buch zu präsentieren: „Neuordnung der Küchen. Materialistisch-feministische Entwürfe eines besseren Zusammenlebens.“ Darin beschäftigen wir uns mit Erbe un/verwirklichter Wohnutopien der sowjetischen 1920er, des Roten Wiens und der Kommunen der 1960er Jahre. Wir fragen nach dem Scheitern und den schweren Hypotheken dieser Geschichten wie nach ihrer Strahlkraft für zeitgenössische queer-feministische Diskussionen um nachhaltigere und glücklichere Lebensweisen. Das Büchlein interveniert in die gegenwärtige Debatte um ein Recht aufs Wohnen.
Die Umgestaltung der Gesellschaft erfordert auch einen radikalen Umbau der Küchen.
Wie wollen wir wohnen, arbeiten, trösten, kochen, abwaschen und lieben? Für materialistische Feminist*innen des 20. Jahrhunderts waren dies keine utopischen, sondern sehr konkrete Fragen nach sozialen und räumlichen Bedingungen neuer, weniger isolierender und gewaltvoller Beziehungsweisen der Versorgung. Die Umgestaltung der Gesellschaft erfordert auch einen radikalen Umbau der Küchen, wusste Alexandra Kollontai, deren Text „Familie und der kommunistische Staat“ hier in einer neuen deutschen Übersetzung vorliegt, ebenso wie die Architekt*innen kollektiver Wohnweisen und Felicita Reuschling, an deren Arbeit wir in diesem Band erinnern.
https://www.edition-assemblage.de/buecher/feministische-wohnutopien/#pid=3
Fragen nach dem Wohnen zeichnen – anders als die nach der Heimat – ein genaueres Bild des Lebens von Menschen, die in ihrem Leben unter anderem migrierten: Wie verhält sich das Wohnen zu Gefühlen des Zuhause-Seins, zu neuen Nachbarschaften und deren Geschichten, zu der eignen Vergangenheit und wichtiger noch, der Zukunft? Wie bestimmen materielle Ansprüche und melancholisch verinnerlichte Hoffnungen Wohnweisen und sozialräumliche Orientierungen? Auf welche Art und Weise wird über das Wohnen sozialer und physischer Raum eingenommen? Welche Vorstellungen eines guten Lebens werden realisiert?
Die Analyse der Wohn- und Einrichtungsweisen russischsprachiger migrantischer Mittelschichten beleuchtet praktische und mentale Aneignung und Manipulation materieller Kulturen der Ankunftsgesellschaft und untersucht die Ausschlüsse und Rassismuserfahrungen, die diese oft als vorbildlich und unauffällig wahrgenommenen Menschen in der deutschen Migrationsgesellschaft erfahren. Ausgehend vom Wohnen werden bestehende Geschichten der Migration russischsprachiger Jüd*innen, Russlanddeutscher und Bildungsmigrant*innen überprüft und andere Erzählungen entworfen.
Mitschnitt der Buchvorstellung folgt hier: Gespräch mit Dr. Alina Gromova, Daniel Heinz und Dr. Marija Gruijc moderiert von Miryam Schellbach in der ADA Bar am 07.07.2022.
Im Campus Chat Wissenschaft spreche ich mit Miryam Schellbach über mein Buch: „Materialismus und Melancholie“
https://www.campus.de/podcast/campus-chat-wissenschaft.html
Materialismus und Melancholie. Vom Wohnen russischsprachiger migrantischer Mittelschichten. Frankfurt am Main, 2022.
Humor (in) der Migrationsgesellschaft, mit Helga Kotthoff und Shpresa Jahasri. Konstanz, 2015.
Herausgeber*innenschaft
Mit Ingrid Jungwirth, Julia Gruhlich, Sylka Scholz,Helen Schwenken, Lina Vollmer. (2023), Revisiting Forum Frauen- und Geschlechterforschung: Impulse aus 20 Jahren, Münster.
Sascha Marianna Salzmann über den Humor sowjetischer Jüd*innen, Antisemitismus und schlechte Witze in Jascha Hannovers Film – Jüdisches Leben, Jüdischer Humor (1/2) Wem gehört das Lachen?– Arte © 2021: https://www.bpb.de/mediathek/video/505752/juedisches-leben-juedischer-humor-1-2/
nochmal über Humor mit Pola Sarah Nathusius (Moderatorin) https://www.bpb.de/mediathek/audio/331632/humor-und-komik-5-10/
Ich bin Teil des Herausgeber*innenkollektives kitchenpolitics. Im Sommer 2023 haben wir unser letztes Buch mit dem Titel – Die Neuordnung der Küchen: Materialistisch-feministische Entwürfe eines besseren Zusammenlebens – herausgeben.
Das Projket haben wir vor Veröffentlichung und seither in unterschiedlichen Kontexten diskutiert, etwa auf dem Workshop des Forums Kritischer Wissenschaften in Frankfurt am Main, auf einer Veranstaltung mit Feminist Translocalities in Berlin.
Einen Ausschnitt des Buches, eine Diskussion mit transnationalen Feminist*innen aus dem Globale Osten in Kooperation mit feminist translocalities findet sich hier:
https://feminisms.co/zine/material-utopias-and-post-socialist-feminisms
Im Sommersemester 2023 unternahm ich gemeinsam mit PD Stefan Lanz, Dr. Alina Gromova und Studierenden der Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Europa Universität Viadrina ein Lehrforschungsprojekt zur jüdischen und migrantischen Geschichte der Spandauer Vorstadt, in Berlin Mitte.
Ergebniss des Seminars war ein Stadtrundgang zum 100 Jahrestag des Scheunenviertelpogroms 1923. https://www.europa-uni.de/de/universitaet/kommunikation/medienservice/viadrina-logbuch/uni-leben/20231106-scheunenviertel-seminar/Galerie/index.html
Eine öffentliche Diskussionsveranstaltung zur „Un/sichtbarkeit jüdischer und migrantischer Geschichten in der Spandauer Vorstadt. Erinnerungspolitische Strategien und aktivistische Taktiken.“ https://centrumjudaicum.de/veranstaltung/un-sichtbarkeit-juedischer-und-migrantischer-geschichten-in-der-spandauer-vorstadt-erinnerungspolitische-strategien-und-aktivistische-taktiken/
Die von Studierenden verfasste Texte sind als Postkarten gedruckt und auf der Seite des Centrum Judaicum veröffentlicht: https://centrumjudaicum.de/spandauer-vorstadt/
Im Oktober 2021 organisierte ich in Kooperation mit Dr. Alina Gromova (Jüdisches Museum Berlin) und Dr. Tsypylma Darieva (Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien, ZOiS Berlin) eine internationale Konferenz zu „Jüdinnen und Juden entlang der Seidenstraße. Migrationsrouten, Zwischen-Räumen und Zwischen-Positionen“. Auf dieser näherten wir uns den wenig bekannten Geschichten der Flucht, Deportation und Migration zwischen Europa und Asien, den Erfahrungen der Nachbarschaft und religiöser Alltagspraxis (post-)sowjetischer Jüdinnen und Juden aus dem Kaukasus und Zentralasien. Im Fokus standen soziale und kulturelle Zwischen-Räume, Orte der Begegnungen und Verflechtungen sowie Zwischen-Positionen der Menschen, die als Minderheiten und als Migrant*innen in multi-ethnischen und multireligiösen Gesellschaften leben.
Die Konferenz ist vollständig auf der Seite des Jüdischen Museums nachzuhören.https://www.jmberlin.de/konferenz-juedinnen-seidenstrasse
Europa-Universität Viadrina
Professur für Vergleichende
Kultur- und Sozialanthropologie
Große Scharrnstraße 59
15230 Frankfurt (Oder)